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15 Dec

Es hat gerade erst begonnen!

Veröffentlicht von Solveig

„Der Sinn dieses Jahres offenbart sich euch nicht in dem Aufenthalt vor Ort, sondern wenn ihr wieder in Deutschland seid.“

Liebe Leser,

diesen Satz habe ich vor meinem Auslandsjahr während der Vorbereitung zu hören bekommen und bis vor kurzem vehement bestritten. Ich würde gerne einen alles umfassenden und abschließenden (sofern man es als „abschließen“ bezeichnen kann) Bericht schreiben und auch erklären, warum der Inhalt mich in den letzten Wochen so beschäftigt hat.

Natürlich habe mich bei meiner Rückkehr sehr gefreut meine Lieben wieder in den Armen halten zu können und einige Dinge waren in den ersten Tagen/Wochen sehr anders und neu, dennoch hatte ich damals nicht das Gefühl, es könnte so wichtig sein, dass ich es abschließend auf in diesem Blog schreiben muss.

Unbewusst hatte ich wohl schon die Vorahnung, dass es einen besseren und würdigeren Abschlussbericht geben muss. Jetzt ist es mir eine Herzensangelegenheit, die ich mit möglichst Viele teilen möchte. Dabei freue ich mich wie immer über Rückmeldung ;)

Ich bin nun seit 3 Monaten wieder in Deutschland. Wie erwähnt, waren die ersten Tage schön und von Wiedersehensfreude überschattet.

Was mir dann, nach dem Abflachen der anfänglichen Euphorie alles bewusst wurde, lässt sich am besten durch das Zitat am Anfang und diese beiden Bilder beschreiben.

Das Erste der beiden Bilder habe ich, auf dem Rückflug nach Deutschland, aus einer Zeitschrift gerissen. Ich hatte es gesehen und dachte: „ Stimmt, dass ist Äthiopien. Das hänge ich mir Zuhause auf“ - Jetzt schon mal soviel, es hängt nirgends!

Das Zweite Bild, ist eine Postkarte, dich ich während des Jahres im Nationalmuseum gekauft habe, auch wenn dieses Bild des Künstlers nicht ausgestellt wurde.

Im Nachhinein blicke ich anders auf das Jahr und die ersten Wochen in Deutschland. Dabei unterscheidet sich das Bild, die Vorstellung von Äthiopien/Afrika, mir welchem ich in dieses Jahr gefahren bin, grundlegend von jenem, welches ich vor Ort antraf. Und auch von meinem Jetzigen.

Die Vorstellung, mit der ich gefahren bin, die ich auch in den ersten Wochen in Deutschland behalten habe, lässt sich sehr gut durch das erste Bild beschreiben. Ein Mann, der sein Vieh durch die Landschaft treibt.

Wenn es doch nur das wäre. In diesem Bild steckt viel mehr nämlich, die im globalen Norden weit verbreitete eingeschränkte Ansicht auf "Afrika"Es . Im Seminar vor der Ausreise wurde ich mit diesen Bilder konfrontiert, sie wurden mir aufgezeigt und bewusst gemacht. Ich dachte, ich sei immun gegen diese Vorstellungen und Vorurteile, denn ich wusste ja über sie bescheid.

Jetzt kann ich ganz eindeutig sagen : Nein, ich war nie immun und werde es auch nie sein.

Denn diese Vorstellungen, die der globale Norden vom globalen Süden hat, wird jedem tagtäglich und von klein auf an aufgezeigt. Über Spendenplakate, Hilfsprojekte, Zeitungen, Fernsehen Internet-einfach alle Medien. Wir kennen ein Land nicht, und bevor wir lieber nichts wissen, glauben wir Vorurteilen. Unvoreingenommenheit ist ein kostbares Gut, das in Zeiten des Internets und der dauerhaften Kommunikation einen umso höheren, wichtigeren Wert bekommt.

In den ersten Wochen wieder zurück in Deutschland wurde ich auf diese allgemeinen Vorurteile angesprochen. Mehr und mehr wurde mir bewusst, dass viele nur das bestätigt habe wollten, was sie sowieso schon angenommen und gehört hatten, mit Fragen wie: „gab es denn genug zu essen ?“

Außerdem ist mir dabei klar geworden, dass mein Blick auf die Dinge während des Jahres auch sehr voreingenommen war. Ich habe vieles zwar wahrgenommen, aber ihm nicht den richtigen Stellenwert zugeschrieben habe. Ich habe oft auch nur nach den Dingen gesucht, die ich bestätigt haben wollte, dabei war meine Sicht alles andere als unvoreingenommen. Klar, den Hirten mit seinem Vieh gab es. Aber neben ihm auch die vielen selbstbewussten Jungen Frauen, die wachsende Infrastruktur und und und.

Das zweite Bild beschreibt sehr schön den Stellenwert. Denn diese Postkarte habe ich zwar gekauft, dennoch dachte ich nicht sofort: „Die muss ich mir aufhängen, dass ist für mich Äthiopien.“

Aber sie beschreibt auch eine Blick auf das Leben und die Menschen vor Ort. Nur habe ich ihn nicht so sehr sehen wollen, wie die allgegenwärtige Vorstellung von Armut.

Was mich wiederum zum eigentlichem Sinn des Jahres bringt. Ich war oft unzufrieden während meines Auslandsaufenthaltes. Ich habe mich oft gefragt: „Was soll das? Was tue ich hier eigentlich?“ ABER: Es geht bei weltwärts nicht darum Menschen zu helfen und auch nicht draum, die Welt zu retten, es ist nicht ohne Grund ein Rückkehrer-Programm. Durch das Projekt sollen Voruteile abgeschafft und ihnen mit kritischem hinterfragen vorgebeugt werden. Es geht um die Arbeit an den eigenen Vorstellungen und Vorurteilen, die wie bei mir erst als ich wieder in Deutschland war begonnen hat.

Bild 1, aus der Flugzeugzeitschrift

Bild 1, aus der Flugzeugzeitschrift

Bild 2. Zerihun Seyoum, The Exhibition, 2012, Öl auf Leinwand, 120cmx120cm

Bild 2. Zerihun Seyoum, The Exhibition, 2012, Öl auf Leinwand, 120cmx120cm

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Ein Jahr Äthiopien